Nach der Beendigung des Eroberungskrieges gegen die Sachsen im Jahre 1804 ließ Kaiser Karl der Große zur Sicherung des unterworfenen Sachsenlandes an strategisch wichtigen Verbindungsstraßen und Flussübergängen Königshöfe anlegen (siehe meinen Beitrag: Wie aus freien Bauernhörige Untertanenwurden).
Der zu dieser Zeit gegründete Königshof – spätere Meyerhof-zu Malbergen lag abseits der alten Höfegruppe am südwestlichen Ende des Esches, und zwar dort, wo Ausläufer des Osterberges an der östlichen und des Holzhauser Berges an der westlichen Flussseite das Dütetal einengen. Dieser Meyerhofgehörte von Anbeginn zum Wirtschaftsverband des Bischofs von Osnabrück. Zu ihm gehörte auch eine noch heute vorhandene Mühle, welche erstmals in einem Tafelgutregister des Bischofs Conrad von Osnabrück 1239 Erwähnung findet. Der Meyerhof lag in gesicherter strategischer Position an einem damals wichtigen Übergang über die Düte und in nur geringer Entfernung von einem altgermanischen Gerichtsplatz (Malstätte) auf dem Holzhauser Berg, Namen gebend für die Bauernschaft Malbergen. Der Name Malbergen kommt von dem althochdeutschen Wort „Mahal“ für „Gerichtsplatz“ auf einem Berg. Die Rechtsprechung war in vorchristlicher Zeit eine heilige Handlung, die durch religiöse Bräuche ihre Weihe erhielt, und oblag von alters her den Edelingen auf der unweit gelegenen Burg Wulften. Meyer leitet sich ab von „maior domus“, den Hausmeiern der fränkischen Könige aus dem Geschlecht der Merowinger. Diese waren die höchsten Amtsträger des Landes. Meier (lat. maior = der Größere) war somit eine Amtsbezeichnung, die in der Regel zum Hof- und Familiennamen führte.
Eine verschiedentlich bezeugte Osnabrücker Ministerialen- oder Dienstmannenfamilie entstammte im 12. oder 13. Jahrhundert von den letzten Verwaltern des ursprünglichen Königshofes zu Malbergen. Seit dem 10. Jahrhundert war der freie Adel durch private Fehden, Kriege und biologische Erschöpfung stark im Rückgang begriffen. Darüber hinaus waren im Zuge des Investiturstreits Verschiebungen in den Funktionen des Adels im Dienste der Kirche eingetreten mit der Folge, dass diese Aufgaben zunehmend von einem neuen Personenkreis wahrgenommen werden musste. Die Ministerialen oder Dienstmannen waren es nun, die nicht nur im Kriegsdienst als Ritter (miles) sondern auch in der Verwaltung an die Stelle des alten Adels traten. Erst allmählich jedoch vollzog sich eine annähernde Gleichstellung der Ministerialen mit dem Uradel. Neben dem Amt der Verwaltung eines Königshofes führten auch andere Funktionen in die Ministerialität, wie die Dienstmannen der bischöflichen Burgen (= Burgmänner). Angehörige des Ministerialengeschlechtes von Malbergen traten in verschiedenen Urkunden als bischöfliche Dienstmannen in Erscheinung. Anfang des 14. Jahrhunderts scheint das ritterliche Geschlecht von Malbergen erloschen zu sein. Die einstmalige Bedeutung des späteren Meyerhofes lässt sich heute nur noch aus seiner herausragenden Größe erahnen. Die Hörigkeit konnte erst mit der Ablösung im Zuge der allgemeinen Bauernbefreiung in den 30-er Jahren des 19. Jahrhunderts beendet werden.
Am Meyerhof zu Malbergen haftete das so genannte Villikationsrecht. Noch in einer Urkunde von 1223 wird der Meyer zu Malbergen als „villicus“ bezeichnet, wo er als Vorsitzender einer bäuerlichen Schutzgemeinschaft (Villikation) in Streulage diese gegenüber der Grundherrschaft vertrat. Er hatte bei Versammlungen den Vorsitz dieser Hausgenossenschaft, die sich mit Fragen des Grundbesitzes, des Erbrechts, der Abgabepflicht und anderer kommunaler Dinge befasste. Wegen seines Redevorrechts wurde er auch als „Redemeier“ bezeichnet. Dieser Villikationsvorsitz ist etwa 1400 infolge Auflösung der stadtnahen Hofesgemeinschaften der Meyer zu Malbergen und Östringen (Haste) hinfällig geworden. Ferner oblagen dem Meyer zu Malbergen die Einführung neuer Erben und die niedere Rechtsprechung; auch besaß er gewisse Fisch- und Jagdrechte. Dagegen ist ein anderes wichtiges Amt – das des Holzgrafen – bis zur Markenteilung im 19. Jahrhundert ein Bestandteil des Hofes geblieben. Dieses Amt brachte dem Inhaber neben dem Ehrenrecht des „obersten Stuhles“ und des „weißesten Bechers“ auch ein Drittel der Strafgelder und das Recht, eine größere Herde Schweine zur Eichel- und Bucheckernmast in die Mark z treiben, ein. Ursprünglich war der Holzgraf beim Holzgericht – dem Hölting (Holt-Thing) – von den Markgenossen gewählt worden. Die vorgebrachten Klagen kamen erst zum nächsten Termin zur Verhandlung, damit kein voreiliges Urteil gefällt wurde, ohne dass dem Beklagten hinreichende Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden wäre. Der Holzgraf durfte nur strafen, wenn die Bestrafung von den Markgenossen auf einem ordentlichen Hölting beschlossen war. Die Selbstverwaltung der Markgenossenschaft wurde durch die Grundherren im Zuge der Leibeigenschaft eingeschränkt und später durch die sich erweiternde landesherrliche Gewalt noch mehr eingeengt. Der Landesherr beanspruchte die oberste Holzgrafschaft. Die Grundherren oder Gutsherren verstanden es, sich zu den meistberechtigten Genossen zu machen und den Holzgrafenposten mit ihrem Gut zu verbinden. Wenn sie weiter entfernt wohnten, bestellten sie einen ihrer leibeigenen Markengenossen zum Unterholzgrafen. Von den Gemeinden des Kirchspiels St. Johann zu Osnabrück hatte Voxtrup den Senior des Domkapitels zum Holzgrafen, der den Vollerben Strickmann zu seinem Unterholzgrafen bestellte. Für Holzhausen war der Herr auf Gut Wulften der Holzgraf, während Nahne und Harderberg freie Marken ohne Holzgrafen besaßen, sich also selbst verwalteten. Und in Malbergen übte der Meyer dieses Amt aus; er war gewissermaßen der selbstständige Prokurist des Fürstbischofs, der natürlich andere Sorgen hatte, als sich mit Markenstreitigkeiten zu befassen. Erkennbar ist die wirtschaftliche Bedeutung des Meyerhofes zu Malbergen aus dem oben genannten Tafelgutregister aus dem Jahre 1239. Dort heißt es:
„Das Erbe Malbergen gibt (jährlich) 6 Schweine oder 18 Schillinge, 3 Malter Gerste, 2 Malter Roggen und 6 Malter Hafer, 3 Malter Käse (welche 30 Denare gelten), ein Fuder trockenes Holz, einen Topf Butter, 2 Schillinge und 10 Denare, 10 junge Hühner, 2 Gänse, 2 Ferkel, 100 Eier am Tage vor Ostern und 100 Scutillas (Holzschüsseln)“. Unter einer Fußnote ist vermerkt: „Desgleichen ist dort eine Mühle, welche 3 Mark und den Weizen und den Roggen und das Malz liefert“. Der von alters her dem Bischof von Osnabrück eigen gewesene Meyerhof zu Malbergen wurde 1437 von Bischof Erich von der Hoya mit Mühle für 1225 Rheinische Gulden an den Senior des Domkapitels – Johann von Varendorf – verkauft. Dieser vermachte das Anwesen wenig später dem Kapitel zu St. Johann, von dem es Bischof Konrad IV. (1482 – 1506) zurückkaufte.
Die Größe des Meyerhofes betrug:
1667: 8,5 ha (Selbsteinschätzung)
1712: 19,5 ha (Selbsteinschätzung)
1717: 31,1 ha (Selbsteinschätzung)
1723: 40,0 ha (erste Vermessung)
1788: 84,4 ha (zweite Vermessung)
1723 gehörten zum Hof folgende Flurstücke: Die Hoffbrede, der Schafkamp, vorm Hoffe, die Haene brede, der Lieth kamp, die uhlen brede, der Bühner kamp, derFlöthenkamp, die Haeneschbrede, aufdemErdenfelde, bey Staels Wiese, das Unlandt, die Fahren brede, der tiefe Weg, am Osterberg, der Bergeskamp, der Hehenkamp, der Rehe Dieck, die Gravelings Dene, die Dependehne.
Die Flächen des heutigen Hofes – bei einer Größe von 99,5 ha, davon etwa 60 ha Wald – sind weitgehend verpachtet. Heutiger Besitzer ist Ernst Eickenscheidt. Vor etwa 100 Jahren hatte der Hof seine größte Ausdehnung erreicht; sie betrug damals etwa 125 ha.
Der Meyerhof zu Malbergen
Mit der Einheirat von Friedrich Ernst Eickenscheidt auf den Meyerhof zu Malbergen, dessen elterlicher Hof in Essen-Kray einer Zechenerweiterung weichen musste, heißt dieser EICKENSCHEIDT. Der Name MEYER zu MALBERGEN ist damit erloschen.
Text und Bild aus dem Heft der: osfa_84-85_2010.pdf
von Alexander Himmermann